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Ein Blog von Anne Grieskamp

Jürgen Joswig

„Ich liebe es, kaufmännisch und konzeptionell zu denken.“

Der Blick auf die Zeichnung in der Hand und vor ihm die grüne Wiese: Jürgen Joswig war Anfang 30 und als technischer Leiter für Projektabwicklung zuständig. Der Boden, auf dem er stand, war ostdeutscher Boden. Hier sollte eine Molkerei entstehen für die Produktion von Frischprodukten aus Milch.

„Während des Studiums zum staatlich geprüften Molkereitechniker habe ich einen Studienkollegen aus der damaligen DDR kennengelernt. Er hat sich über unsere Technik informiert. Als die Grenzen offen waren, ist der Kontakt nach Ostdeutschland intensiviert worden“, erzählt Jürgen Joswig.

Noch 1988, vor dem Mauerfall, als er mit einem Visum auf dem Weg nach Polen durch die DDR gefahren sei, habe er die Staatspolizei in den Sträuchern am Autobahnrand gesehen. Sie habe Passanten beobachtet. Ein bisschen mulmig sei ihm zumute gewesen.

Von der Aufbruchstimmung in den Folgejahren wurde auch er erfasst. Pioniergeist habe ihn und sein „Wessi-Team“ beim Bau der Molkerei angetrieben.

Charakteristische Merkmale unterschiedlicher Rechtsformen wie die eingetragene Genossenschaft (eG), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Societas Europea (SE), zu Deutsch „Europäische Aktiengesellschaft“, lernte Jürgen Joswig im Laufe seines beruflichen Werdegangs kennen.

„Bei einer genossenschaftlich organisierten Molkerei fassen die Genossen wichtige Beschlüsse. Investitionsentscheidungen durchlaufen alle Gremien und erfordern Zeit“, erklärt der Molkereitechniker. Hingegen könne die Anweisung bei einem inhabergeführten Unternehmen lauten: „Morgen geht’s los.“ Das könne eine schnellere Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen am Markt bedeuten, jedoch auch mit Nachteilen verbunden sein.

Projekt-Ingenieur, Projekt-, Team- und Bereichsleiter, technischer Leiter und Vertriebsleiter für den technischen Vertrieb im Prozessanlagenbau für die Lebensmittelindustrie: Seine Aufgabengebiete waren und sind vielseitig und spannend, unter anderem bei einer Tochtergesellschaft des GEA-Konzerns in Ahaus, bei der Ehrmann SE als eine der größten Molkereien in Deutschland mit Sitz im Allgäu und heute bei Bilfinger Life Science Nutrition.

„Es war super. Mit Ende 20 habe ich mein erstes eigenes Geld verdient und war total motiviert“, erklärt er rückblickend auf den Berufseinstieg und lacht.

Manchmal habe sein Weg auch Ausdauer erfordert. „Mein Gott, was bin ich mit neuen Ideen manchmal gegen dicke Bretter gelaufen“, erzählt er mit einem Seufzen in Erinnerung an starre Strukturen und ablehnende Worte wie: „Das haben wir immer so gemacht und das ist gut.“ Doch er betont: „Ich habe mich nicht von meinem Weg abbringen lassen, da ich verantwortlich war.“

Kundenaufträge können zum Beispiel der Neubau von Produktionsanlagen im Lebensmittelbereich sein oder gar die Aufrüstung von einer alten, noch mechanisch funktionierenden Anlage mit hochmoderner Technik.

Wichtig sei für ihn, auch Abteilungs- und Gruppenleiter zu hören und Mitarbeiter, die an der Maschine stehen. „Sie haben oft tolle Ideen“, bekräftigt er. Netzwerke seien zudem aufzubauen. Es gelte, in die Zukunft zu denken und Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen, um Fuß zu fassen.

Schwerpunkte seien aktuell beispielsweise Energiethemen, die stark steigende Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen, Kosten- und Ressourcen-Bewusstsein, die Pandemie, Preissteigerungen bei Rohstoffen und die Digitalisierung.

„Die Digitalisierung betrifft jede Branche. Kunden wollen Industriebetriebe auch über ihr Handy steuern können. In Molkereien wird automatisiert von einer Schaltzentrale aus alles gesteuert“, erklärt er.

Der Preiskampf und Kostendruck sei in Deutschland extrem, etwa im Vergleich zu Ländern wie Italien und Frankreich. „Dort lassen sich Menschen gutes Essen etwas kosten.“

Seinen Antrieb bei seinen beruflichen Tätigkeiten beschreibt Jürgen Joswig mit den Worten: „Ich liebe es, eigenverantwortlich zu arbeiten, das kaufmännische und konzeptionelle Denken und über den Tellerrand zu schauen.“

So spürt er diese Freude auch noch nach über drei Jahrzehnten Berufstätigkeit, wenn er sich auf den Weg macht zu seinen Kunden und potenziellen Kunden. Interessant und beeindruckend präsentieren sich ihm nicht selten die Gegebenheiten vor Ort in großen namhaften Firmen, die ihm als Basis für die weitere Beratung und Planung dienen.